Jarmshagen
Das Dorf Jarmshagen wurde 1280 als „Germarshagen“ erstmals genannt und befand sich zunächst im Besitz des Zisterzienserklosters Eldena. Mitte des 14. Jahrhunderts konnte die Stadt Greifswald den Ort vom Kloster erwerben. Er lag am Zufluss des Rycks in den aufgestauten Boltenhäger Teich, der bis an die Greifswalder Altstadt heranreichte und war daher für die Stadt von besonderem Interesse. Die Stadt Greifswald wurde später auch Patronatsherr der kleinen Fachwerkkapelle im Ort.
Historische Einordnung
Die baugeschichtliche Untersuchung der Kapelle konnte insgesamt drei Bauphasen herausarbeiten. Eine sog. dendrochronologische Untersuchung ermöglicht es die Fälldaten der verbauten Hölzer zu ermitteln. Diese Untersuchung hat ergeben, dass drei Deckenbalken der Kapelle noch aus mittelalterlicher Zeit stammen. Das jüngste der drei Eichenhölzer wurde im Winter 1419/20 gefällt, und da man Holz meist saftfrisch verarbeitete, könnte die Kapelle bereits im Jahr 1420 oder kurz danach errichtet worden sein.
Die Jarmshäger Kapelle erweitert eine kleine Gruppe erhaltener mittelalterlicher Fachwerkkapellen in Norddeutschland um ein weiteres Beispiel. Die älteste bisher bekannte Fachwerkkapelle in Vorpommern stammt von 1312 und ist in Landow auf Rügen entdeckt worden. Auch zwei weitere Beispiele stammen aus Vorpommern, so aus Beggerow (Ldk. Mecklenburgische Seenplatte) von 1412 sowie aus Japenzin (Ldk. Vorpommern-Greifswald) von 1450. Als Beispiel aus Mecklenburg ist die Gertrudenkapelle in Güstrow von 1439 zu nennen. Alle diese Fachwerkkonstruktionen sind später mit Back- oder Feldstein ummantelt worden und deshalb heute nicht mehr auf den ersten Blick als hölzerne Kirchen zu erkennen.
Neben diesen vier Beispielen existieren nur zwei mittelalterliche Kapellen in Mecklenburg und Vorpommern, an denen die Fachwerkkonstruktion bis heute von außen sichtbar geblieben ist. In Mecklenburg ist dies die Kapelle von Consrade südlich von Schwerin (errichtet 1470) und in Vorpommern die ein halbes Jahrhundert ältere Kapelle von Jarmshagen.
Baugeschichte
Infolge des Dreißigjährigen Krieges, der in Jarmshagen, wie in ganz Pommern, schwere Verwüstungen hinterließ, war auch die Kapelle sehr in Mitleidenschaft gezogen. Um 1684/85 wurde die bis heute erhaltene Dachkonstruktion der Kapelle neu errichtet. Auf Grundlage eines historischen Plans ist außerdem zu rekonstruieren, dass der kleine Bau einen dreiseitigen Ostabschluss besaß und nach Westen zwei Gefache kürzer war als die heutige Kapelle. Die Wandgefache mauerte man zu dieser Zeit nicht mit Ziegeln aus, sondern sie waren durch Holzstaken geschlossen, die mit Stroh umwickelt waren, wie dies auch in den meisten Bauernhäusern und noch bis in das 19. Jahrhundert üblich war. Die kleine Glocke von 1689 stammt ebenfalls aus dieser Erneuerungsphase und wurde vom Gießer H. I. Mangolt (wohl aus Stettin) hergestellt.
Da der Regen die unteren Teile der Gefache immer wieder ausspülte, wurden die unteren Stakengefache in den 1720er Jahren durch Ziegelausmauerungen ersetzt. Ein Teil dieser Steine holte man dabei von der Greifswalder Stadtbefestigung vor dem Vettentor.
1796 weist der damalige Pastor von Scheven darauf hin, dass die Kapelle stark reparaturbedürftig sei. Er wünscht auch, dass sie etwas erweitert würde ›weil beÿ Sterbefällen die Kapelle die Leichen Folge nicht fassen könne‹. Die Kapelle war demnach bei besonderen Anlässen zu klein für die Gemeinde geworden. Für das Jahr 1766 sind 108 Bewohner des Dorfes überliefert, darunter 40 Kinder. Nach einer Beratung gelangten die Inspektoren zur Auffassung, dass es vielleicht vorteilhafter wäre, die Kapelle neu zu bauen. Der Greifswalder Stadtzimmermeister Engelbrecht erarbeitet dann 1797 einen Entwurf samt Kostenvoranschlag für die Reparatur der Kapelle. Ein völliger Neubau der Kapelle wird jetzt nicht mehr als erforderlich angesehen.
Für 1798 ist durch die Schriftquellen überliefert, dass die Mittel der Kapellenkasse für die bedeutende Reparatur nicht ausreichen und die Jarmshäger Bauern befragt werden sollen, in wieweit sie sich an der Reparatur der Kapelle beziehungsweise der Herstellung der Einfriedungsmauer für den Kirchhof beteiligen würden. Die Verwalter weisen darauf hin, dass sowohl die Kapelle selbst als auch ihr Kirchhof in erster Linie zur Bequemlichkeit der Bauern in Jarmshagen dienen würden. Bei einer Beratung im Greifswalder Rathaus erklären sich die anwesenden fünf Bauern bereit, einen Beitrag von jeweils sechs Reichstalern zu leisten. Die sich ergebende Summe von 30 Reichstalern soll in das Kapellenvermögen eingehen. Die Bauern wollen zudem kostenlose Fuhren und Handdienste leisten. Allerdings müssten die für das Sprengen der Feldsteine und das Setzen der Friedhofsmauer nötigen Gelder aus allgemeinen Mitteln genommen werden.
Bald nach 1798 dürften die Arbeiten an der Kapelle begonnen worden sein. Der bestehende Bau wurde nach Osten und Westen verlängert, erhielt neue Außenwände, teilweise auch aus wiederverwendeten Hölzern der Vorgängerkonstruktion. Außerdem ergänzte man das Dachwerk in den erweiterten Bereichen insgesamt um zwei neue Dachgespärre und den Walm im Osten. Die Ausfachungen der Wände bestanden nun vollständig aus Backstein. Auch die mittelalterlichen Steine von der Greifswalder Stadtbefestigung wurden weiterverwendet und sind heute vor allem im westlichen Giebeldreieck zu finden. Um Kosten zu sparen verzichtete man auf einen freistehenden Glockenstuhl. Die kleine Glocke von 1689 fand in einer Glockenhaube am neuen Westgiebel einen neuen Ort der Aufhängung.
So blieben durch die Sparsamkeit der Provisoren und den Mangel an finanziellen Mitteln sowohl die drei mittelalterlichen Deckenbalken als auch das Dachwerk aus dem 17. Jahrhundert erhalten.
Auf der Wetterfahne über der Glockenhaube ist die Jahreszahl 1800 zu lesen. In diesem Jahr dürften die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten an der Kapelle abgeschlossen gewesen sein.
Ende des 19. Jahrhunderts mussten die Fachwerkschwellen des Baus erstmals ausgetauscht werden. In den 1980er Jahren überarbeite man dann nochmals alle Gefache und so stehen die ursprünglich ziegelsichtigen Ausfachungen heute als geputzte und geschlämmte Flächen.
Die Jarmshäger Kapelle darf nach den Untersuchungen nun auf eine 600 jährige Baugeschichte zurückblicken. Aber ganz unabhängig davon, wie alt das Gebäude nun ist, kann man sich dem besonderen Charme dieser kleinen Fachwerkkapelle am Rand des ebenso kleinen Dorfes kaum entziehen.
Text nach Ergebnissen der Bauuntersuchung von Torsten Rütz
und der Schriftquellenauswertung von Dr. Felix Schönrock (beide Greifswald)
Fotos: Torsten Rütz
Öffnungszeiten
Öffnungszeiten und Führung nach Anmeldung
Ansprechpartner
Pastor Dr. Volker Gummelt
+49 3834 799196
Petra Dietrich
Jarmshagen Dorf
+49 38333 255
So finden Sie die Kapelle
Fahren Sie von der A20 in Richtung Greifswald. An der Ampelkreuzung Levenhagen links abbiegen und der Kreisstraße VG4 bis Jarmshagen etwa 3 Kilometer folgen.
Von Greifswald in Richtung A20 über Heilgeisthof fahren und vor Levenhagen an der Ampelkreuzung rechts abbiegen und der Kreisstraße VG4 bis Jarmshagen etwa 3 Kilometer folgen.
Von der Umgehungsstraße um Greifswald die Abfahrt „Dreizehnhausen“ nehmen und der Kreisstraße VG4 bis Jarmshagen folgen.